Wir haben Europa nicht aus egoistischen Gründen gebaut

Veröffentlicht am 19.02.2011 in PES

Seit dem Regimesturz in Tunesien kommen immer mehr Flüchtlinge aus den nordafrikanischen Maghreb- Staaten auf die nur 130 Kilometer von der tunesischen Küste entfernte Insel Lampedusa. Die Verzweifelten, die vor Unruhe und Armut nach Italien fliehen und ihre neu gewonnene Freiheit nutzen, sorgen europaweit für eine lebhafte Debatte.

Zwar ebbt der Flüchtlingsstrom aus Tunesien inzwischen ab, doch fragen sich viele, wie sich das Flüchtlingsproblem im Mittelmeer lösen lässt und was mit den rund 5.000 Menschen passiert, die auf Lampedusa und mittlerweile anderen Flüchtlingszentren in Italien untergebracht sind.

Europäische Küstenwache wird am Flüchtlingsproblem nichts ändern

Berlins Innensenator Erhart Körting sagt, dass eine europäische Küstenwache am Flüchtlingsproblem im Mittelmeer nichts ändern wird. „Das, was in Lampedusa passiert oder was über Griechenland an Migrationsströmen nach Europa kommt, ist eher eine soziale Frage und müsste sozial in den Ländern gelöst werden, aus denen die Menschen kommen“, betont der SPD- Innenexperte heute im Deutschlandradio.

Der Einsatz der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex sei jedenfalls nicht zweckmäßig. Denn Frontex könne aus rechtlichen Gründen die illegal aus Libyen, Tunesien oder anderen Ländern kommenden Bootsflüchtlinge nicht im Meer lassen, sondern müsse sie aufnehmen. „Wir können die Menschen nicht ertrinken lassen im Mittelmeer“, alles andere sei auch mit humanitären Gesichtspunkten überhaupt nicht zu vereinbaren. „Zu glauben, ich kann in Europa die Grenzen dichtmachen, indem ich an der Küstenwache Kanonen aufstelle, halte ich für albern und halte ich auch aus der Sicht der Polizei für schlichtweg nicht machbar.“

Ursachen der Flüchtlingswelle politisch lösen

Körting fordert deshalb, die Ursachen der Flüchtlingswelle, die Armut und Unruhen politisch zu lösen. Auch müsse die Europäische Union (EU) mit Tunesien und anderen europäischen Anrainern Verträge schließen, die eine vernünftige Bewachung der Küsten sichern und ermöglichen, dass die Länder ihre Flüchtlinge wieder aufnehmen.

Angesichts der menschlichen Tragödie fordert er, die Länder im Süden der EU mit den Flüchtlingen nicht alleine zulassen und Asylbewerber gerechter auf alle EU- Staaten zu verteilen. „Ich bin dafür, das zu machen, dann bin ich aber auch dafür, dass Deutschland sich die Vorleistungen anrechnen lassen kann, die es erbracht hat etwa im Jugoslawienkonflikt, das heißt: Wir sind erst sehr spät dran nach meiner politischen Wertung.“

Edathy: Bundesregierung muss konkrete Hilfszusagen machen

Auch der SPD- Innenexperte Sebastian Edathy appelliert an die Bundesregierung, beim Treffen der EU- Innenminister in der nächsten Woche konkrete Hilfszusagen zu machen: „Wir brauchen dringend eine europäische Quotenregelung, die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme auf alle 27 EU- Länder verteilt“, so Edathy in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".