Interview mit Frank Wörner

Veröffentlicht am 18.11.2014 in SPD International

Mützenich: In New York versuchen, einen politischen Rahmen zu finden, um auch politisch gegen ISIS vorzugehen

Interview mit Frank Wörner

Wörner: Reicht das aus mit den Waffenlieferungen an die Kurden, oder müsste die Bundesregierung nicht langsam auch mehr tun, um den Menschen zu helfen im Irak und vor allem auch in Syrien?

Mützenich: Es ist ja nicht alles, sondern es hat ja insbesondere darin bestanden - und die Waffenlieferungen waren ja auch durchaus umstritten gewesen in allen Parteien im Deutschen Bundestag -, insbesondere, dass wir auch versucht haben, humanitäre Hilfe zu leisten sehr frühzeitig, dass wir aber auch den Ländern in der Region, die ja gerade unter dem Flüchtlingsproblem am meisten zu leiden haben, mit finanziellen Hilfen, aber auch mit Hilfen von Nichtregierungsorganisationen dienen. Ich glaube, das ist wichtig und insbesondere der Ansatz, der jetzt in diesen Tagen in New York versucht wird, insbesondere einen politischen Rahmen zu finden, um auch politisch gegen die ISIS vorzugehen.

Wörner: Aber die Verbündeten werden mehr, die USA haben einige zusammen gekriegt, die mittlerweile helfen... Müsste die Bundeswehr sich da nicht vielleicht auch beteiligen an diesen Luftangriffen?

Mützenich: ... Gerade die deutsche Politik (hat) ihre Stärke darin zu versuchen, innerhalb der Europäischen Union daran mitzuwirken, auch gerade im Hinblick auf das Flüchtlingsproblem möglicherweise auch neue Übereinkommen zu schaffen, dass eben auch der Flüchtlingsdruck, der auf Europa passiert, auf alle Länder gleichmäßig verteilt wird, ... die humanitäre Unterstützung auch europäisch flankiert wird und dann, dass es nicht zu weiteren Konflikten in der Region kommt.

Ich will daran erinnern, wir müssen in den nächsten Wochen zu einem Übereinkommen mit dem Iran über die iranische Atomkrise kommen, und da macht Deutschland, glaube ich, eine sehr wichtige Figur in diesem Zusammenhang, weil wir dürfen uns nicht noch einen weiteren Großkonflikt in der Region leisten...

Wir versuchen jetzt in diesen Wochen, mit dem Iran, mit den USA, zu einem Kompromiss in der Wörner zu kommen. Wir brauchen Kompromisse an dieser Stelle, und da kann Deutschland eine wichtige Rolle spielen...

Wörner: Trotzdem muss bei den europäischen Partnern und auch bei den Amerikanern langsam der Eindruck entstehen, immer, wenn es wirklich ernst wird, ist Deutschland 'raus.

Mützenich: Nein, das glaube ich eben nicht. Diese Kritik ist nicht erfolgt, und z.B. versucht ja jetzt heute in diesen Stunden der deutsche Außenminister im Rahmen unseres Vorsitzes von G7 auch gerade diese politische Strategie nochmal zu untermauern. Ich finde, letztlich immer den Fokus alleine auf einen militärischen Beitrag zu bringen, der greift zu kurz. Wir haben es in dieser Region, um den Zusammenhang mit ISIS nochmal zu beschreiben, auch damit zu tun, dass der Iran und Saudi-Arabien und andere Länder von außen diese Region als Stellvertreterkrieg benutzen, und deswegen ist der Rahmen, den ich eben am Beispiel auch der iranischen Atomkrise beschrieben habe, durchaus wichtig und tragfähig. Und Deutschland, glaube ich, kann hier eine wichtige Rolle spielen.

Wörner: Aber da haben doch die Amerikaner den viel größeren Coup gelandet, indem sie mehrere arabische Staaten mit dazu genommen haben, und zwar ... ganz klar für den Militäreinsatz...

Mützenich: ... Es ist eben leider nicht der erste Fall gewesen. Wir haben es in Libyen vor kurzem gesehen... Wir haben es damals bei Saddam Hussein im Irak gesehen, also, so neu ist der Ansatz nicht... Daran kann man auch möglicherweise eine Politik anknüpfen, dass Saudi- Arabien und der Iran bereit sind, langfristig eben in dieser Region auch mit dazu beizutragen, dass wieder Stabilität herrscht, und ihre Stellvertreterkriege nicht in anderen Ländern ausgeübt werden.

Wörner: ... Ist nicht irgendwo so eine Linie überschritten, wo man jetzt sagen muss, ok, Diplomatie hat versagt, jetzt müssen wir richtig da 'rangehen?

Mützenich: ... Es geht bei ISIS nicht um Diplomatie. Natürlich stecke ich auch in dem Dilemma, dass mit militärischen Reaktionen hier auf dieses brutale Vorgehen reagiert werden muss. Aber Sie müssen auch an die Langfristigkeit erinnern, und ISIS ist ja nicht sozusagen aus einem Vakuum heraus entstanden und ist ja auch von Ländern und letztlich auch von Gruppen in diesen Ländern großgezogen worden... Und ich finde, wir brauchen uns da nicht zu verstecken, wenn wir versuchen, über den diplomatischen Ansatz etwas zu erreichen...

Wörner: ... Wird Deutschland sich möglicherweise doch irgendwann an diesen Angriffen beteiligen?

Mützenich: Nein, das glaube ich nicht...

WDR 5, 25.09.2014