SPD macht „neuen Fortschritt“

Veröffentlicht am 12.01.2011 in Allgemein

Einen Perspektivenwechsel hat die SPD mit ihrer Jahresauftaktklausur eingeleitet. Nachdem sich die Partei im vergangenen Jahr vor allem mit der Aufarbeitung des Wahlergebnisses von 2009 befasst hatte, „geht es nun um die Gegenwart und Zukunft“, kündigte der SPD-Vorsitzende an. Neue Perspektiven skizziert vor allem auch ein SPD-Fortschrittsprogramm.
Wissen und Rat auch von Außen für die Überprüfung und Weiterentwicklung ihrer Politik holt sich die SPD schon seit geraumer Zeit. Vor allem in den Zukunftswerkstätten diskutiert sie seit rund einem Jahr mit Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft über die dringlichsten Aufgaben für das Land – und über Lösungsansätze.
Wissen und Rat von Außen spielten auch auf der Jahresauftaktklausur des Parteivorstandes am Montag und Dienstag in Potsdam eine wichtige Rolle. Mit Fachleuten aus allen Bereichen der Gesellschaft diskutierte die SPD über ein Papier, das Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles vorgelegt hatten: „Neuer Fortschritt und mehr Demokratie“ [PDF, 424 KB]. Einstimmig beschloss am Ende der Parteivorstand das Papier als Grundlage für die weitere Arbeit in den kommenden Monaten.

„Fortschritt muss wieder für die Menschen erlebbar werden“Grundüberlegung ist, dass das bisherige Verständnis von Fortschritt als wissenschaftlich-technologische und wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr ausreicht. Denn zunehmend hat dies nichts mehr mit steigender Lebensqualität zu tun: Eine Steigerung des Wirtschaftswachstums führt nicht mehr zwingend zu besserer Bezahlung der Beschäftigten, auch nicht zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Fortschritt in der Medizintechnik führt nicht automatisch zu besserer Versorgung. Oft wird auch ökonomischer Erfolg zulasten der Natur erzielt. „Der wirtschaftlich-wissenschaftliche Fortschritt hat sich entkoppelt von gesellschaftlichem Fortschritt“, formulierte es Gabriel im Anschluss an die Vorstandsklausur.
Dies will die SPD wieder zusammenbringen und hat erste Leitlinien in dem Fortschrittsprogramm formuliert, das in den kommenden Monaten – in der Arbeit der Zukunftswerkstätten, auf einem Zukunftskongress und auf allen Ebenen der Partei – weiterentwickelt und konkret auf die einzelnen Politikfelder heruntergebrochen wird. Ein umfassendes Gesamtkonzept soll auf dem Parteitag Ende des Jahres beschlossen werden, und im kommenden Jahr wird die europäische und globale Fortschritts-Dimension hinzugefügt. „Fortschritt“, so der Parteivorsitzende, „muss wieder die Menschen im Alltag erlebbar werden“.
Konkrete Beschlüsse fasste der Parteivorstand auch in den Bereichen Pflege und zur anstehenden Mandatsverlängerung der Bundeswehr in Afghanistan.

Bürgerversicherung auch in der Pflege
Wir schon im Gesundheitswesen will die SPD auch in der Pflege das Prinzip der Bürgerversicherung einführen. Die von Schwarz-Gelb geplante Kapitaldeckung – und damit eine stärkere Privatisierung – in der Pflege wird abgelehnt, weil sie auch in diesem Bereich eine Zwei-Klassen-Versorgung hervorbringe. Stattdessen müsse eine gute Pflege „von allen Teilen der Gesellschaft getragen werden“, betonte Gabriel. Außerdem geht es dem SPD-Konzept nach auch um bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in dem Sektor und um mehr Angebote für die Familien, die Angehörige selbst pflegen. Bei einer Finanzierung, die auf mehr Schultern liegt, könne auch langfristig der jetzige Pflegeversicherungssatz von 0,975 Prozent gehalten werden, so Gabriel.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner, die das Konzept federführend erarbeitet hatte, unterstrich insbesondere die geplanten Verbesserungen in der häuslichen Pflege. Ähnlich wie beim Elterngeld müsse eine halbjährige Lohnersatzleistung eingeführt werden, um Beschäftigte bei der Pflege von Familienangehörigen zu unterstützen, so Ferner.

Afghanistan: Klare Bedingungen für Mandatsverlängerung
Im Vorfeld der Bundestagsberatungen um die Mandatsverlängerung der Bundeswehr in Afghanistan bekräftigte der Parteivorstand die bereits im vergangenen Jahr erarbeitete Grundlinie: Deutlich mehr Mittel für den zivilen Wiederaufbau, der Abzug von Kampftruppen müsse im laufenden Jahr eingeleitet und bis spätestens 2014 mit der Übergabe der vollen Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte abgeschlossen werden. Gabriel erinnerte daran, dass die SPD mit ihrer Positionierung maßgeblich die spätere Linie der Bundesregierung mitbestimmt hatte. Sollte die Regierung weiter dieser Strategie folgen, werde der Parteivorstand der SPD-Fraktion die Zustimmung zur Mandatsverlängerung empfehlen, kündigte der Vorsitzende an.

„Klärung und Profilierung“
Mit der Jahresauftaktklausur hat die SPD die Grundlage gelegt für die Arbeit in den kommenden Monaten. In vielen Bereichen wird es um Konkretisierung und Weiterentwicklung gehen. So soll etwa im April das endgültige Konzept für die Bürgerversicherung im Gesundheitswesen stehen. Auch für ein umfassendes Steuer- und Abgabenkonzept müssen noch Details erarbeitet werden. Daneben stehen sieben Landtags- und zwei Kommunalwahlen an. „2011“, fasste Gabriel am Dienstag in Potsdam zusammen, „wird für die SPD das Jahr der Klärung und Profilierung“.