m letzten Jahr hat sich netzpolitisch so einiges getan: die Piratenpartei hat das Berliner Abgeordnetenhaus geentert und ist bei bundesweiten
Christian Soeder
Umfragen konstant bei über fünf Prozent. Netzpolitische Events wie der Chaos-Computer-Club-Congress finden überregionale Aufmerksamkeit in den Gazetten, der Politcamp-Verein veranstaltet Treffen mit Breitenwirkung, Peter Altmaier twittert (Kurt Beck nicht mehr). Alles in allem: gar nicht mal so schlecht, oder?
Nun ja. Man kann das so sehen und aber trotzdem gleichzeitig sehen: da fehlt noch etwas. Ich mache das exemplarisch am SPD-Bundesparteitag fest. Ungefähr 500 Delegierte, also Menschen mit Rede– und Stimmrecht, bilden zusammen den Bundesparteitag (künftig sind es 635). Vor Ort waren konstant gefühlt ungefähr 2000 Menschen, darunter Ausstellerinnen, Journalisten, politische Konkurrenz – aber auch viele Parteimitglieder, die netzpolitisch aktiv sind und vor Ort waren, um beim Kampf um die Vorratsdatenspeicherung zu helfen und um zu bloggen.
Beim Twitter-Treffen waren ungefähr 60 Personen anwesend (die Kommunikation lief nicht ganz optimal, das nehme ich teilweise auf meine Kappe), vermutlich waren um die 100 aktiven Twitter-Nutzer mit SPD-Parteibuch vor Ort.
Stimmberechtigt waren davon nur wenige – keinesfalls mehr als ein Dutzend, wenn überhaupt.
Beim Treffen, bei dem es darum ging, einen Schlachtplan gegen die Vorratsdatenspeicherung zu entwickeln, waren Björn Böhning und ich sogar die beiden einzigen Delegierten mit Stimmrecht – dabei standen da gut 30 Personen im Kreis, die gewichtige und profunde Argumente vorzubringen hatten. Allein: sie durften nicht sprechen, da sie eben keine Delegierten waren.
Die Abstimmung über die Vorratsdatenspeichung ging dann nach recht guter Diskussion einigermaßen knapp (60:40) für den Kompromiss der Antragskommission (also für die Vorratsdatenspeicherung) aus – für außenstehende Beobachter eine klare Niederlage, für uns sozialdemokratische Netzpolitiker ein gefühlter Sieg.
Was zeigt uns das? Es reicht nicht aus, sehr gute Argumente zu haben, es reicht nicht aus, im Hintergrund Einfluss zu nehmen, es reicht nicht aus, Postkarten zu basteln, es reicht nicht aus, bei Twitter und Facebook die Meinungshoheit zu haben – irgendwann kommt es zum Schwur, irgendwann muss entschieden werden. Und dann geht es, ganz banal, um Mehrheiten. Wie die Mehrheit zustande kommt, ob alle Delegierten hervorragend informiert sind oder ob sie nur so abstimmen, wie es ihre Delegationsführung vorgibt – das ist für das Ergebnis einerlei. Mehrheit ist Mehrheit.
Wenn wir Netzpolitikerinnen also Einfluss gewinnen wollen, wenn wir wollen, dass unsere Ideen, unsere Ansichten zum Internet gehört werden – dann bleibt uns nichts anderes übrig: dann müssen wir in die Gremien rein, uns zu Delegierten wählen lassen und auch in die Mandate rein.
Und das ist dann auch der Knackpunkt. Die, die momentan die Macht haben, haben ja gar keinen Grund, die Macht einfach so abzugeben – warum sollten sie das denn tun? Darum müssen „wir“ auch kämpfen. Also: hingehen, Klappe aufreißen, keine Angst vor großen Namen – einige Male wird es schief gehen und man bekommt verbal die Fresse poliert, man verliert eine Abstimmung, man wird nicht gewählt, man blamiert sich – so ist das nun einmal in der Politik. Das ist kein Ponyhof. Aber irgendwann klappt es, man ist gewählt und kann selbst gestalten und muss nicht mehr darauf warten, dass die eigenen Ideen von Mandatsträgern und Funktionärinnen aufgenommen werden.
Niemand sagt, dass es leicht wird. Also frisch ans Werk.